Der Mond bestimmte unseren Törnverlauf / Teil I
    
- Segeltörn in das Gebiet der Gezeiten –                               weiter zu Teil II
   
Lange Segeltörns werden im Winter ausdiskutiert und beschlossen. So war es auch diesmal. Bei der winterlichen Grundsanierung des Unterwasserschiffes der „Alibaba“, einem Vierteltonner vom Typ „Hiddensee“, hat uns das Gravitationsgesetz beschäftigt und wir wollten die Auswirkungen nicht nur theoretisch, nein, auch praktisch wissen. Ein geeignetes Gebiet sei der Englische Kanal, meinte Franz, der Eigner der kleinen Yacht.
Hier schwappt das Wasser nicht nur alle 12 Stunden hin und her, nein, es gibt durch die Landformationen auch noch Neerströme mit Richtungsänderungen. Also, nichts wie hin.
Zur nautischen Vorbereitung lagen Handbücher, Seekarten und Gezeitentafeln aus zurückliegenden Reisen bis London vor. Gleiches für die Gebiete Dover, Wight und Portland wurden angeschafft. Kernstück war aber der neue GPS-Kartenplotter mit entsprechender Software und hier besonders die Darstellung der Tidenkurven mit Strömungsrichtung und Stärke.
Am 16.05.2008
legte die „Alibaba“ in Potsdam ab, ich winkte an der Fähre in Caputh der Überführungscrew ein letztes mal zu und über die Havel und Elbe erreichte das Boot am 20.05.2008 Cuxhaven. Zwei seefeste Sportsfreunde segelten mit Kapitän Franz Kretschmer über Norderney, Vlieland, Ijmuiden und Zeebrugge nach London. Hier kennen wir einen Stadthafen direkt an der Tower Bridge, der per Schleuse den Tidenhub aufhält.

Am 09.06.2008

checkten Thomas und ich in aller Frühe in Berlin Tegel ein und waren bereits um 11.00 Uhr in London an Bord.
Am nächsten Tag geht der Kanaltörn los. Erst einmal die 25 sm flussabwärts motoren, so lang ist der Themseausgang von London. Das Ausschleusen ist anmeldepflichtig. Punkt 07.00 Uhr fahren wir mit anderen Yachten hinein. Es ist kurz vor Hochwasser.

Nach 15 min. sind wir auf der Themse. Bei Hochwasser sieht alles freundlich aus, bei Niedrigwasser fällt das Wasser rund 5 m, und das Flussbett zeigt seine Verunreinigungen! Alles grau und rostig!
Schnell noch ein Fotoshouting, unter Segeln vor der Tower Bridge kreuzen, und los geht es mit 3 Knoten Strömung.
Ich staune über den regen Bootsverkehr auf der Themse. Also in Ufernähe bleiben. Aber wo? Rechts oder links? Die Engländer fahren links, alles klar!
Zu beiden Uferzonen ziehen Industriebauten an uns vorbei. Der Fluglärm wird lauter. Ein Flugplatz in Ufernähe, die „Krachmacher“ dröhnen über uns hinweg.
Was ist das quer im Fahrwasser? Ein Sperrwerk der Themse. Grüne Lichter zeigen uns die Durchfahrt an. Sinn der Anlage: Bei einer gefährlichen Flut kann die Themse kurzzeitig „abgeriegelt“ werden. Gute Ingenieurleistung!

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Nach 25 sm öffnet sich die Mündung. Da es Nachmittag ist und wir vorerst keine Nachtfahrt in dem mit Untiefen gespickten Gebiet riskieren wollen, kennt Franz eine seitliche Passage, wo wir geschützt an einer Mooringtonne liegen.
Gute Nacht, bis morgen!
Der beginnt mit einer Kaltwasserdusche. Wir legen Wert auf ein gutes Frühstück, denn dann läuft es viel besser.
So ist es dann auch, wir haben Schiebewind; Spi hoch. Nach 25 sm liegen wir vor Ramsgate. Kursänderung Richtung West, Spi einholen. Nun läuft es mit geschrickten Schoten.

Als der Fährverkehr rhythmisch zugenommen hat und an einem Punkt endete, war klar: Dover voraus! Hier wollen wir übernachten. Mit Vorsicht in den Yachthafen, kurze Wartezeit für die Hafenschleuse und ab zur zugewiesenen Box. Im Hafenbüro läuft alles per Computer.
Beim Stadtrundgang wird gleichzeitig nachgebunkert. Ist es nun Glück oder Unglück, dass mitten auf dem Marktplatz eine fette Möwe dem Thomas auf die Designerkleidung sch…? Später stellte sich heraus, es war Glück (wettermäßig!). Da ich Sportfan bin und gerade die Fußball-EM läuft, ist bereits im Hafenbüro die Frage: Wher’s the TV room? Aha, alles klar. So kann ich gleichzeitig mein zweites Hobby pflegen – Schwarzbier trinken.
Also Guinnes und Deutschland gegen Polen.
Ich komme in Konflikte, weil ich nicht an der abendlichen Tidenbesprechung mit Büchern und dem Plotter teilgenommen habe, erfahre aber, dass wir morgen um 06.00 Uhr in der Schleuse sein müssen. Also 05.00 Uhr raus, duschen, frühstücken und losbinden.
Wir wollen in Ufernähe bleiben, in der Hoffnung, dass hier der Gegenstrom nicht so stark ist. Wenn wir den ganzen Tag draußen sind, muss zwangsläufig der Strom auch mal gegen uns laufen. Vorerst geht es mit Schiebewind und Strömung rund 6 Stunden nach West. Dann kentert die Tide und es läuft viel langsamer mit 3,5-4 Knoten.
Von Norden ziehen Regenwolken durch, etwa im Stundenrhythmus. Es wird stockdunkel, Regen prasselt auf uns nieder und der Wind bringt uns in Bewegung. Reff rein, Fock weg- nach 10 min. alles wieder raus. Nach 31sm beschließen wir gegen 17.00 Uhr im Hafen von Easbourne halt zu machen.
Die Schleuse ist geöffnet und ein grünes Licht zeigt Betriebsbereitschaft an.

Nach dem Festmachen wartet schon der Hafenofficer (fast alle in erhöhter Position, wegen der besseren Übersicht) und kassiert die Gebühren. Die liegen im Durchschnitt doppelt so hoch, wie in Deutschland. Dafür sind auch die sanitären Anlagen fast alle topp.
Die Stadt ist von riesigen Neubaukomplexen in Strandnähe durchzogen. Ein naher Pub bietet Guinnes und EM an. Die komplette Crew labt sich abends daran.
Nun haben wir auch das nötige Zeitgefühl und stecken unsere Törneckpunkte ab. Durch den Solent, Besuch der Isle of Withe und runter zu den Kanalinseln. Die Südküste von England streckt sich doch gewaltig!

Nächstes Ziel ist das Mekka der englischen Segler, Portsmouth.
Als wir gegen 17.00 Uhr vor der Solenteinfahrt kreuzten, waren noch 15 sm vor uns. Der starke Gegenstrom lässt uns nur mit 3,5 Knoten vorwärts kommen. Macht keinen Sinn, hier liegt querab ein kleiner Hafen, der allerdings Tidenabhängig ist. Nach kurzer Berechnung steht fest, es müsste gerade noch klappen mit der Wassertiefe. Um 18.00 Uhr legten wir an einem Schwimmsteg in Littlehampton an.
Samstag, den 14.06.2008, war um 08.00 Uhr die günstigste Ablegezeit, um mit dem Strom in den Solent zu kommen. Am Rand einer Untiefe, an der viele Seeangler ihr Glück versuchten, war die Strömung flussähnlich. Man musste an der Pinne gewaltig aufpassen. Der Blick in den Solent, etwa drei Greifswalder Bodden in Bumerangform, ließ uns staunen. Ca. 200 Yachten tummelten sich in verschiedenen Regattafeldern. Wir sahen, wo die „Profis“ segelten, Kevlar und schnittige „Pötte“. Auf einem war auch der Formel 1 Pilot Hemmilton.
Immer schön um die Regattafelder herum, eine Hiddenseeklasse war nicht auszumachen. In der Hafeneinfahrt von Portsmouth reger Schiffsverkehr. Fähren, auslaufende Yachten und nun auch noch direkt vor uns ein Luftkissenboot.
Es sah komisch aus, wie es am Ufer eine Schräge hoch fuhr!
Um 13.30 Uhr anlegen in einer riesigen Marina. Das Hafenbüro gleicht dem Chefbüro einer Computerfirma. Entsprechend auch die gesamte Einrichtung, sowie der Preis. In einem abgeriegelten Gelände liegen die Admiralscupper.
Fotografieren verboten, aber das reizt ja gerade.